Das Verhalten von Affen, Hamstern, Vögeln und Ratten leuchtet ein: Tiere, die in ihrer sozialen Gruppe einen niedrigeren Rang haben, neigen dazu, mehr zu fressen als ihre ranghöheren Artgenossen. Denn sollte die Verpflegung einmal knapp werden, und das Futter nur für die Alphatiere reichen, haben sie auf diese Weise beizeiten vorgesorgt und müssen nicht verhungern.

Nun haben asiatische Forscher aber festgestellt, dass Menschen es genauso machen. Wer meint, auf der sozialen Leiter weiter unten zu stehen als andere, futtert gerne mehr als die, die um ihren hohen Rang wissen. „Unsere Studien bestätigen übereinstimmend die Hypothese, dass bereits das subjektive Empfinden eines niedrigen sozioökonomischen Status den Appetit anregt“, erklären Ying-Yi Hong von der Chinese University of Hongkong und Bobby Cheon von der Nanyang Technological University in Singapur. Die beiden Psychologen hatten in mehreren Studien die Teilnehmer sich zunächst auf einer sozialen Leiter mit zehn Sprossen einstufen lassen und dann theoretisieren lassen, wie für sie wohl der Kontakt zu Personen vom anderen Leiterende zustande kommen könnte. Nach dieser Beschäftigung mit sich selbst ließen sie die Probanden von einem virtuellen Buffet Speisen bewerten und wählen. Dabei wurde klar, dass diejenigen, die sich selbst als niedrig auf der sozialen Leiter eingestuft hatten, verstärkt zu kalorienreicher Nahrung griffen – sich beispielsweise gerne am „All-you-can-eat“-Nudelbuffet bedienten.

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Sich Speck anzufuttern stellt für Menschen offenbar immer noch einen evolutionären Überlebensvorteil dar. Die Forscher Hong und Cheon wollen sich dieses Wissen nun zunutze machen, um die weltweit ansteigende Fettleibigkeit zu bekämpfen. Bisher glaubte man ja, Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten neigten deshalb zum Übergewicht, weil sie sich keine gesunden, fett- und zuckerärmeren Lebensmittel leisten können. Doch die Sache ist offensichtlich komplizierter. Nach der Studie der asiatischen Forscher hängt Essen mit dem persönlichen Wohlbefinden ebenso wie mit gesellschaftlichen Mechanismen zusammen. Wer sich minderwertig fühlt, gleicht den Mangel an Ansehen durch reichhaltige Nahrung aus – durch Süßigkeiten, fettige Snacks und viel zu günstiges Fleisch. Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten können sich also nicht nur wenig oder keine Bio-Lebensmittel leisten, sie sind auch seelisch anfälliger für kalorienreiche, nährstoffarme Fertignahrung. Sie sind eine geradezu perfekte Zielgruppe für die Lebensmittelindustrie. Wie oft tragen Dickmacher mit zehnzeiligen Zutatenlisten nicht im Namen die Begriffe „Gourmet“ oder „Premium“… das oft ungesunde Versprechen, wenigstens einen hohen Ernährungsstatus zu erreichen.

Dies bedacht, wird klar, wie wichtig öffentliche Informationskampagnen hier gegensteuern müssen. Menschen aller Schichtung und jedes Bildungsgrads sollten dringend erfahren, was wirklich gute Ernährung ist. Das Portal www.in-form.de des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum Beispiel gibt lebensnahe Tipps: Was gehört in einen gesunden Picknickkorb, wie sehen leckere, gesunde Rezepte aus, welche Ernährungs-Apps sind die besten? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt den Bürgern 10 Regeln für eine hochwertige Ernährung mit in den Kampf der Gesellschaftsschichten: www.stmgp.bayern.de/vorsorge/gesund-leben/ernaehrung. Und das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten informiert laufend über Veranstaltungen, Aktionen und neue Erkenntnisse zum Thema Ernährung – wie beispielsweise über spezielle Informationstermine für Kitas in den Landkreisen oder die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage zu regionalen Lebensmitteln. Der Link: www.stmelf.bayern.de/ernaehrung/index.php.

Das Lesen lohnt sich. Denn wer sich gut ernährt, hat sich ein Stück Wohlstand erobert!

[1] Bobby K. Cheon et al.: „Mere experience of low subjective socioeconomic status stimulates appetite and food intake“, Proceedings of the National Academy of Sciences (2016). DOI: 10.1073/pnas.1607330114

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